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Veranlagungsarten
Das deutsche Steuerrecht veranlagt grundsätzlich jede:n Steuerpflichtige:n einzeln, man spricht von der Einzelveranlagung. Jedoch kein Grundsatz ohne Ausnahmen: Wer verheiratet ist oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebt, darf mit dem oder der Partner:in eine gemeinsame Steuererklärung abgeben – also eine Zusammenveranlagung wählen und damit den Splittingtarif nutzen.
Alternativ ist eine Einzelveranlagung von Ehegatten:innen – früher „getrennte Veranlagung“ genannt – möglich. Die Einzelveranlagung von Ehegatten:innen unterscheidet sich von einer normalen Einzelveranlagung, denn sie bietet mögliche Steuervorteile durch Aufteilung der Ausgaben.
Ehepaaren stehen folglich zwei Veranlagungsarten zur Wahl:
- Zusammenveranlagung mit Splittingtarif
- Einzelveranlagung mit Grundtarif
Die „besondere Veranlagung im Jahr der Eheschließung“ gibt es seit einigen Jahren nicht mehr.
Hinweis: Machen Sie dem Finanzamt gegenüber keine Angaben zur Veranlagungsart, wird automatisch von einer Zusammenveranlagung ausgegangen.
Splittingtarif vs. Grundtarif
Zunächst gilt es bei beiden Verfahren, das zu versteuernde Einkommen zu ermitteln, denn hierauf wird der Steuertarif angewendet. Also die Berechnung von steuerpflichtigen Einnahmen abzüglich steuerrelevanter Ausgaben und unter Berücksichtigung evtl. Freibeträge.
Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten:innen werden Ihre beiden Einkommen zusammengerechnet und dann wieder halbiert. Anhand der Steuergrundtabelle wird die fällige Steuer ermittelt und wieder verdoppelt. Gesprochen wird vom Splittingverfahren.
Vorteil: Die gemeinsame Veranlagung lohnt sich vor allem für Ehepaare mit einem großen Einkommensunterschied. Besonders groß ist der Steuervorteil, wenn eine:r von Ihnen gar kein oder nur ein geringes Einkommen hat.
Grundsätzlich werden Ihre Ausgaben auch bei Zusammenveranlagung immer Ihnen zugerechnet, wenn Sie diese getragen (bezahlt) haben.
Entscheiden Sie sich beide für die Einzelveranlagung werden für Sie 2 separate Steuererklärungen erstellt und an das Finanzamt übermittelt. Ihnen beiden wird eine eigene Steuernummer zugeordnet und es ergehen auch 2 Bescheide.
Besonderheit: Bei einer Einzelveranlagung von Ehegatten:innen besteht die Möglichkeit steuerrelevante Ausgaben wie Sonderausgaben (z. B. Versicherungsbeiträge, Schulgelder) oder außergewöhnliche Belastungen (z. B. Krankheitskosten) hälftig aufzuteilen. Dieser „hälftigen Aufteilung“ müssen beide zustimmen.
Das gilt jedoch nicht für Werbungskosten, denn diese sind immer bei den jeweiligen Einnahmen in Abzug zu bringen.
Steuersparpotentiale durch Einzelveranlagung
In den meisten Fällen ist für Ehepaare eine Zusammenveranlagung steuerlich vorteilhafter. Allerdings gibt es Konstellationen, bei denen sich ein genaues Nachrechnen durchaus lohnt. Beispiele dafür sind:
- keine Arbeitnehmersparzulage wegen Überschreiten der Einkommensgrenzen
- Vermeidung von besonderem Kirchgeld (Kirchensteuerpflicht nur für eine:n Ehegatten:in)
- Anwendungsmöglichkeit der „Fünftelregelung“ – ermäßigter Steuertarif bei außerordentlichen Einkünften eines:r Ehegatten:in
- hohe steuerfreie Einkünfte eines:r Ehegatten:in, die jedoch der Progression unterliegen (z. B. Arbeitslosengeld, Krankengeld, Kurzarbeitergeld, ausländische Einkünfte, die gemäß Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland steuerfrei sind)
- Ausnutzung von Höchstbeträgen oder Freigrenzen bei relativ gleich hohen Einkünften
- Verlustvor- oder Verlustrückträge
Einzeln veranlagen – aber nur gemeinsam
Achtung: Wählt eine:r von Ihnen die Einzelveranlagung, muss auch der oder die Partner:in eine solche einreichen. Die Entscheidung sollten Sie also immer gemeinsam treffen.
Solange der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist, kann auch nachträglich noch eine Zusammenveranlagung beantragt werden.
Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung
Es gibt zwei Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung, die beide gleichzeitig erfüllt sein müssen:
- Die Ehepartner:innen leben nicht dauernd getrennt UND
- Die Ehepartner:innen sind beide in Deutschland uneingeschränkt steuerpflichtig.
Die Zusammenveranlagung ist selbst dann möglich, wenn die Voraussetzungen nur für kurze Zeit innerhalb des Kalenderjahres erfüllt waren. Wenn Sie also den Bund der Ehe erst im Dezember eingehen, können Sie für das ganze Jahr – quasi rückwirkend – die häufig günstigere Zusammenveranlagung wählen.
Auch bei einer dauerhaften Trennung ist die Zusammenveranlagung noch im Jahr der Trennung möglich. Wenn Sie sich also in der Silvesternacht entzweien, sollten Sie auf jeden Fall auf die Uhr schauen:
- VOR Mitternacht bedeutet es auch das Ende der Zusammenveranlagung mit dem Jahreswechsel.
- NACH Mitternacht ist die Zusammenveranlagung für das gerade begonnene Jahr möglich.
Tipp: Nichteheliche Lebensgemeinschaften können zwar keine Zusammenveranlagung wählen; möglicherweise kann jedoch Unterhalt geltend gemacht werden. Beispielsweise wenn ein:e Partner:in kein oder nur geringes Einkommen hat.
Nachweise für das Finanzamt
Während sich eine Eheschließung durch die Heiratsurkunde leicht nachweisen lässt, gestaltet sich der Nachweis des Trennungsdatums häufig schwieriger. Eine „Dauernd getrennt lebend Erklärung“ Kann ein:e Ehepartner:in allein formlos beim Finanzamt einreichen um die Trennung entsprechend zu dokumentieren.
Sollte sich das Paar wieder versöhnen, verlangt das Finanzamt in der Regel die Rücknahme dieser Erklärung allerdings von beiden Partnern:innen gemeinsam.
Mögliche Sonderfälle – 4 Beispiele
Es gibt einige besondere Konstellationen oder Sonderfälle, bei denen auf den ersten Blick nicht ganz klar ist, welche Veranlagungsform gewählt werden kann. Informieren Sie sich nachfolgend über 4 Beispiele und deren steuerrechtliche Regelung.
Getrennt ist nicht geschieden
Zivilrechtlich wird eine Ehe durch Scheidung oder Aufhebung beendet. Das kann unter Umständen erst Jahre nach der tatsächlichen Trennung erfolgen. Gleichwohl ist im Steuerrecht stets das Datum der dauerhaften Trennung maßgeblich.
Anders als in einigen anderen Ländern werden in Deutschland Scheidungen erst nach einer Mindesttrennungsdauer von 1 Jahr ausgesprochen (Ausnahme Härtefallscheidungen). Ernstgemeinte, längere Versöhnungsversuche hemmen dieses Trennungsjahr – können aber dazu führen, dass Ehepaare noch für weitere Veranlagungszeiträume den Vorteil der Zusammenveranlagung nutzen dürfen.
Nach BFH-Entscheidung darf das Finanzamt nicht ohne Zustimmung eine Scheidungsakte hinzuziehen. Der Finanzbeamte ist gehalten, den Angaben der Ex-Partner:innen zu folgen. Allerdings kann die Zusammenveranlagung abgelehnt werden, wenn die äußeren Umstände vermuten lassen, dass keine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mehr besteht bzw. bestand.
Übrigens ist es durchaus möglich steuerrechtlich als „dauernd getrennt“ zu gelten, selbst wenn beide Partner:innen unter einem Dach wohnen, jedoch getrennt wirtschaften (also z. B. jede:r nur für sich selbst Lebensmittel kauft und kocht).
Wurde in der Vergangenheit stets davon ausgegangen, dass Ehepaare immer eine gemeinsame Wohnung innehaben, akzeptieren nunmehr Finanzgerichte unter besonderen Umständen auch andere Formen des Zusammenlebens. Voraussetzung ist die persönliche und geistige Gemeinschaft trotz räumlicher Trennung, wie etwa regelmäßige Treffen, gemeinsame Ausflüge und Urlaube. Es kommt auf den Einzelfall an.
Veranlagung bei Verwitweten
Wenn ein:e Ehepartner:in verstirbt, hat die Witwe bzw. der Witwer ebenfalls die Möglichkeit die Zusammenveranlagung zur wählen. Vorausgesetzt das Ehepaar war nicht dauernd getrennt lebend, gibt es eine gemeinsame Steuererklärung.
Im Folgejahr, erstellt der oder die verbliebene Ehepartner:in dann eine Einzelveranlagung nur für sich selbst. Das Finanzamt wendet dann von Amts wegen den günstigen „Splittingtarif“ an und spricht von Witwen/Witwersplitting. Erst im übernächsten Jahr wird der- oder diejenige steuerrechtlich wieder wie ein Single gestellt.
Gnadensplitting
Das Gnadensplitting ist eine besondere Veranlagungsform. Sie kommt nur in seltenen Fällen zur Anwendung: Wenn eine:r der Ex-Partner:innen nach einer Trennung und Scheidung innerhalb des gleichen Jahres erneut heiratet.
Durch die neue Eheschließung hat diese:r Partner:in die Möglichkeit der Zusammenveranlagung. Wäre die Zusammenveranlagung auch noch mit dem:r ehemaligen Partner:in möglich gewesen – beispielsweise, weil die Trennung erst Anfang des Jahres stattgefunden hat – soll diese:r nunmehr Geschiedene nicht schlechter gestellt werden. Auch für ihn oder sie gilt dann der Splittingtarif.
Zwischenzeitlich getrennte Ehepaare
Bei zwischenzeitlich getrennten Ehepaaren kommt es mitunter vor, dass ein:e Partner:in die Zusammenveranlagung ablehnt – etwa, weil sich das Paar total zerstritten hat. Nach BFH-Rechtsprechung kann das Finanzamt auf Antrag eines:r Partners:in gleichwohl eine Zusammenveranlagung durchführen.
Voraussetzung ist, dass der oder die andere Partner:in keine oder nur sehr geringe Einkünfte hat und die Ablehnung eher willkürlich ist.
Tipp: Geben bereits getrennte Ehepaare für zurückliegende Veranlagungszeiträume noch gemeinsame Steuererklärungen ab, kann beim Finanzamt die Aufteilung der Steuerschuld/Steuererstattung beantragt werden.
Qual der Wahl alle Jahre wieder
Sofern die grundsätzlichen Voraussetzungen zur gemeinsamen Veranlagung vorliegen, können Sie sich jedes Jahr neu und auch anders entscheiden. Trifft also beispielsweise in einem Jahr eine Ausnahmekonstellation (s.o.) auf Sie zu, können Sie für dieses eine Jahr die Einzelveranlagung von Ehegatten:innen wählen, ansonsten aber bei der Zusammenveranlagung bleiben.
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